Die Schlacht in der Oberklasse kann beginnen: Das neue Audi-Modell A8 hat einiges zu bieten. Über viele Jahre war Audi der Underdog, die technisch orientierte und designaffine Alternative zu den klassischen Angeboten von Mercedes-Benz und BMW.
Doch in den vergangenen Jahren sind die Dinge aus der Spur geraten. Das Design, Spielball interner Machtkämpfe, verlor an Qualität; das Modellprogramm schien zu stagnieren; obendrein bemühen sich Politik und Medien nach Kräften, die Marke per Dieselthema zu beschädigen. Man kann also gute Nachrichten gebrauchen. Und dazu dürfte der neue Audi A8 verhelfen, der im Rahmen einer eindrucksvollen Schau vor 2000 Journalisten in Barcelona präsentiert wurde. Intern hört er auf die Bezeichnung D5. Und der Sprung vom Vorgänger zum neuen Modell ist gewaltig.
Ab 90.600 Euro kostet der neue A8, der A8 L steht ab 94.100 Euro in der Preisliste. Dafür wird einiges geboten, das man selbst in dieser anspruchsvollen Fahrzeugklasse noch nie gesehen hat. Dabei ist das Exterieur-Design noch das zurückhaltendste am neuen Audi A8 – obwohl der Singleframe-Grill deutlich in die Breite gegangen ist. Doch der Gesamteindruck ist eher elegant denn expressiv, und viele interessante Details erschließen sich erst auf den zweiten und dritten Blick. Dazu gehört beispielsweise die verdrehte Fuge am vorderen Kotflügel, die A8-typisch angesetzte A-Säule oder auch das leicht nach vorn geneigte Heck, das den Wagen optisch anschiebt.
Die Kotflügel sind leicht ausgestellt, und die Zahl der horizontalen Sehnen ist vorn und hinten identisch – ein Verweis auf den Quattro-Allradantrieb, der beim neuen A8 in allen Varianten obligatorisch sein wird. Konventionell geblieben ist der Dachaufbau mit der charakteristischen Kuppel, die einst Peter Schreyer ersonnen hat, als er in den 90er-Jahren noch in Audis Diensten stand. Die Ausführung der Fensterpartie ist extrem hochwertig, die Zierleisten bestehen aus echtem Aluminium – womit der A8 beinahe eine Alleinstellung einnehmen dürfte. Wer es auffällig mag, kann den A8 übrigens auch mit einem Chrom-Exterieur-Paket bestellen, das etwas geschmackvoller als die entsprechende „Pure Excellence“-Ausstattung von BMW ausgefallen ist.
Bei der Lichttechnik zeigen die Ingolstädter, was sie können: Vorne gibt es LED-Scheinwerfer in drei Stufen, in der höchsten Ausbaustufe kommt Laser-Fernlicht dazu. Die über die komplette Fahrzeugbreite laufenden Rückleuchten sind als LED oder optional als OLED ausgeprägt. In der OLED-Variante zeigt der A8 beim Ein- und Ausschalten eine eindrucksvolle Animation.
Während sich das Exterieur stilistisch durchaus zurücknimmt und die gewaltigen Abmessungen (Länge 517 oder 530 cm, Breite 195 cm, Höhe 145 cm) erfolgreich kaschiert, symbolisiert das Interieur einen gewaltigen Schritt nach vorn: Noch keinem Hersteller ist der Sprung in die digitale Welt so ästhetisch überzeugend gelungen wie Audi beim neuen A8.
Bilder können den futuristischen Appeal dieses Interieurs nur unzureichend wiedergeben: Es ist geprägt durch horizontale Linien, dunkel verglaste Flächen und äußerst hochwertig und präzise wirkende Bedienelemente und Zierteile. Die Themen „Digital“ und „Feinmechanik“ sind hier geradezu auf dem ästhetischen Niveau eines Concept Cars umgesetzt. Die berührungsempfindlichen Flächen geben präzise haptische Rückmeldung, auf den Bildschirmen kann per Finger geschrieben werden, und die digitale Darstellung von Fahrzeug Funktionen hat sich von den pseudorealistischen Simulationen der Konkurrenzprodukte bereits entfernt. Und der Rechner arbeitet extrem schnell.
Zur analogen Welt der Materialien: Eindrucksvoll sind die präzise gesetzten, modern wirkenden Nähte auf den Sitzen sowie die Qualität der verwendeten Hölzer; hier herrscht frischer Wind. Die Luftausströmer sind hinter hölzernen Klappen versteckt, die bei Bedarf nach oben fahren – das wirkt so edel wie einst beim VW Phaeton, aber viel moderner. Wohltuend übrigens, dass das horizontal geprägte Lenkrad auf die abgestandene Dreispeichen-Optik verzichtet, mit der sich inzwischen zirka 99 Prozent aller Autos auf dem Markt einen sportlichen Anstrich verleihen möchten.
Der futuristische Auftritt im Interieur korrespondiert mit einem Technik-Reigen, der den A8 in Sachen Autonomie über das Niveau der Konkurrenz hinausheben dürfte. Audi spricht vom Level 3, und beim optionalen Stauassistenten braucht der Fahrer praktisch nichts mehr zu tun. Wer noch immer mit Freude selbst Gas gibt, wird sich über Fahrdynamik-Optionen wie die Allradlenkung freuen.
Die innovativsten elektronischen Funktionen hören übrigens auf die Bezeichnung Audi AI. Das steht, so Audi, für „Autonomie, Intelligenz und Innovation.“ Und unter diesem Label will man in Zukunft auch dann noch ordentlich Umsatz generieren, wenn der Kunde das Auto vom Händler übernommen hat. Etwa mit Software-Upgrades, die weitere Funktionen erschließen oder das Design der Bildschirme und Nutzeroberflächen optimieren.
Der Audi A8 startet mit einem 340 PS starken 3,0-V6-Ottomotor und einem 286 PS starken 3,0-V6-TDI, der den idealen Kompromiss zwischen Leistung und Spritverbrauche darstellen dürfte. Nächstes Jahr folgen zwei 4,0-V8-Motoren: Ein 460 PS starker Ottomotor und ein 435 PS starker TDI.
Darüber hinaus kommt ein Plug-In-Hybrid auf Basis des 3,0 TFSI mit 449 PS, der stolze 700 Nm Drehmoment produziert und elektrisch im Idealfall 50 Kilometer weit kommt. Ganz oben kommt ein 6,0-Liter-W12-Biturbo mit stolzen 585 PS. Der S8 wird nachgereicht, abermals mit 4,0-Liter-V8 und wohl spürbar über 600 PS. Alle A8 (außer dem weitergehend elektrifizierten e-tron) kommen mit 48-Volt-Bordnetz und milder Hybridisierung. Was es nicht gibt, ist ein Vierzylinder: Dieses Downgrade überlässt man in dieser Klasse gerne der Konkurrenz.
Statt dessen schiebt der neue A8 die Messlatte in der Oberklasse weiter nach oben. Mercedes-Benz hält mit einer neuen S-Klasse dagegen, die sich bei hohem Aufwand unter dem Blech optisch kaum vom bisherigen Modell unterscheidet, und der noch frische BMW 7er fällt vor allem im Interieur ab. Die Schlacht in der Oberklasse – sie ist mit dem heutigen Tag wieder voll entbrannt. ampnet/jm
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